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author: Sabine de Günther
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description: "Einzelbetrachtungen"
description: "Werkgruppen"
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# Das Porträt als Projektionsfläche der Inszenierung
# Das Porträt als Inszenierung

## Politische Proklamation
Das [Bildnis von Anna, Königin von England](item/306) gehört zu den Darstellungen, die es erlauben, die Porträtierten durch ihren (Gewand)Schmuck eindeutig zu identifizieren. Der Kragen lenkt den Blick auf die dort befestigten Schmuckelemente: zwei Monogrammjuwelen, die mittels roter Seidenschleifen am Kragen befestigt sind. Am linken Kragenrand ist ein überkrönter Monogrammschmuck in der Form eines [„C4“](media/56281), bestehend aus gefassten Edelsteinen, befestigt. Den rechten Kragenrand ziert ein Schmuckstück in Form eines gekrönten [„S“](media/56282). An der linken Brust trägt die Dargestellte, ebenfalls mittels einer roten Schleife befestigt, ein mit Edelsteinen besetztes Medaillon. Schmuck ist – ähnlich wie Kleidung – als gemaltes Verweissystem zu lesen: Preziosen verbanden das Individuum mit einer sozialen Gruppe und erlaubten ihm/ihr, sich davon abzusetzen. Schmuckmonogramme, Bildnis-Anhänger, Ordenskleinodien sendeten politische Botschaften an den Betrachter und verwiesen auf ­Allianzen, Ansprüche und Zugehörigkeiten. Der Schmuck der Dargestellten weist sie als Anna von ­Dänemark, Königin von England aus. Prinzessin Anna von Dänemark wuchs als zweite Tochter von König Frederik II. von Dänemark (1534–1588) und seiner Frau Sofie von Mecklenburg-Güstrow ­(1577–1631) gemeinsam mit ihrem Bruder Christan IV. (1577–1648) im prosperierenden Königreich ­Dänemark auf. Am 20. August 1589, im Alter von 15 Jahren, wurde Anna mit Jakob IV., König von Schottland, nach lutherischem Ritus in Dänemark vermählt und siedelte im folgenden Jahr für die kommenden 13 Jahre nach Schottland über, bevor sie gemeinsam mit Jakob IV. 1603 die Reise zur Inthronisierung ihres Gatten, in Folge [Jakob I., König von England und Irland](item/49314), nach London antrat. Die Monogramm-Juwelen [„C4“](media/56281) und [„S“](media/56282) verweisen auf ihren Bruder, Christian IV. und ihre Mutter, Sofie von Mecklenburg. Der Schmuck wird hier zu einer vielschichtigen Informationsquelle: Die Monogrammjuwelen weisen die Dargestellte nicht nur als Anna, Königin von England aus, sondern repräsentieren ihre enge persönliche und politische Verbindung zu ihrer Mutter Sofie und zu ihrem Bruder Christian.
Das [Bildnis von Anna, Königin von England](item/306) gehört zu den Darstellungen, die es erlauben, die Porträtierten durch ihren (Gewand)Schmuck eindeutig zu identifizieren. Der Kragen lenkt den Blick auf die dort befestigten Schmuckelemente: zwei Monogrammjuwelen, die mittels roter Seidenschleifen am Kragen befestigt sind. Am linken Kragenrand ist ein überkrönter Monogrammschmuck in der Form eines [„C4“](media/56281), bestehend aus gefassten Edelsteinen, befestigt. Den rechten Kragenrand ziert ein Schmuckstück in Form eines gekrönten [„S“](media/56282). An der linken Brust trägt die Dargestellte, ebenfalls mittels einer roten Schleife befestigt, ein mit Edelsteinen besetztes Medaillon. Schmuck ist – ähnlich wie Kleidung – als gemaltes Verweissystem zu lesen: Preziosen verbanden das Individuum mit einer sozialen Gruppe und erlaubten ihm/ihr, sich davon abzusetzen. Schmuckmonogramme, Bildnis-Anhänger, Ordenskleinodien sendeten politische Botschaften an den Betrachter und verwiesen auf ­Allianzen, Ansprüche und Zugehörigkeiten.

Der Schmuck der Dargestellten weist sie als [Anna, Königin von England](item/9428) aus. Anna, vormals Prinzessin von Dänemark, wuchs als zweite Tochter von König Frederik II. von Dänemark (1534–1588) und seiner Frau Sofie von Mecklenburg-Güstrow ­(1577–1631) gemeinsam mit ihrem Bruder Christan IV. (1577–1648) im prosperierenden Königreich ­Dänemark auf. Am 20. August 1589, im Alter von 15 Jahren, wurde Anna mit Jakob IV., König von Schottland und in Folge [Jakob I., König von England und Irland](item/49314) nach lutherischem Ritus in Dänemark vermählt und siedelte im folgenden Jahr für die kommenden 13 Jahre nach Schottland über. 1603 trag sie mit ihrem Ehemann die Reise zur Inthronisierung nach London an. Die Monogramm-Juwelen [„C4“](media/56281) und [„S“](media/56282) verweisen auf ihren Bruder, Christian IV. und ihre Mutter, Sofie von Mecklenburg. Der Schmuck wird hier zu einer vielschichtigen Informationsquelle: Die Monogrammjuwelen weisen die Dargestellte nicht nur als Anna, Königin von England aus, sondern verweisen auf ihre enge persönliche und politische Verbindung zu ihrer Mutter Sofie und zu ihrem Bruder Christian.

Die dargestellte Gewandung ist ­naturgemäß ebenso ikonologisch aufgeladen. Anna trat das Erbe eines Repräsentationsstiles an, welches von der mächtigen Herrscherin, Elisabeth I., und einer starken visuellen Tradition geprägt war. Den Stuartkragen, eine Abwandlung des Medici-Kragens, war von Königin Elisabeth I. am englischen Hof eingeführt worden. Anna stellte sich in deren Nachfolge und übernahm einen Kleiderstil, um die ­Kontinuität der Bildtradition zu gewährleisteten. Die Reifrockvariante, die in den Jahren zwischen 1590 und 1600 getragen wurde und die an einem Bildnis von Elisabeth I., dem sogenannten [Ditchley-Porträt](https://www.npg.org.uk/collections/search/portrait/mw02079/Queen-Elizabeth-I-The-Ditchley-portrait?search=sp&sText=Ditchley-Porträt&firstRun=true&rNo=0), ablesbar ist, war zu Regierungszeiten Annas modisch bereits abgelöst worden. In Fortführung der höfischen Kleidertradition ließ sich Anna jedoch mit diesem Typus des Reifrocks porträtieren.

Zusammenfassend kann die ikonologische Bedeutungsebene des Schmucks, die das königliche Motto *La mia grandezza dal eccelso* unterstreicht, wie folgt beschrieben werden: Die christliche Ebene des Glaubensbekenntnisses nehmen die Schmuckstücke in Kreuzform auf. Die dynastische und persönliche Ebene wird repräsentiert durch den Monogrammschmuck. Als dritte Bedeutungsebene kommt die moralische Ebene hinzu, welche in Bildnissen Annas beispielsweise durch eine Armbrust dargestellt wird. In der bildfüllenden Präsenz und der vestimentären Opulenz der Dargestellten steht das Bildnis von Anna in einer Bildtradition, die Elisabeth I. eingeführt hatte.
Zusammenfassend kann die ikonologische Bedeutungsebene des Schmucks, die das königliche Motto *La mia grandezza dal eccelso* unterstreicht, wie folgt beschrieben werden: Die christliche Ebene des Glaubensbekenntnisses nehmen die Schmuckstücke in Kreuzform auf. Die dynastische und persönliche Ebene wird repräsentiert durch den Monogrammschmuck. Als dritte Bedeutungsebene kommt die moralische Ebene hinzu, welche in Bildnissen Annas beispielsweise durch Juwelen in Form einer Armbrust dargestellt wird. In der bildfüllenden Präsenz und der vestimentären Opulenz der Dargestellten steht das Bildnis von Anna in einer Bildtradition, die Elisabeth I. eingeführt hatte.

Die ganzfigurigen Porträts von Paul van Somer (ca. 1576–1621) und seiner Werkstatt, wie jenes Bildnis aus dem *[Royal Collections Trust London](item/45250)* können als Vorbild für weitere von seinen Nachfolgern geschaffenen Brustbildern ist. Er schuf diese in den Jahren zwischen ca. 1617 und 1618 für das englische Königshaus. Das Berliner Gemälde verweist stilistisch auf Paul van Somer oder seine Werkstatt.
Die ganzfigurigen Porträts von Paul van Somer (ca. 1576–1621) und seiner Werkstatt, wie jenes *[Bildnis](item/45250)* aus dem Royal Collections Trust London können als Vorbild für weitere, von seinen Nachfolgern geschaffenen Brustbildern ist. Er schuf diese in den Jahren zwischen ca. 1617 und 1618 für das englische Königshaus. Das Berliner Gemälde verweist stilistisch auf Paul van Somer oder seine Werkstatt.

## Wechselporträts im Miniaturformat
Das ovale Miniaturbildnis einer [Frau mit Spitzendekolleté und Perlenhalskette](item/464) zeigt eine nach links ausgerichtete junge Frau im Brustformat. Das rote, bauschig fallende und tief dekolletierte Kleid wird von einem Spitzenkragen gesäumt. Eine Perlenkette liegt eng am Hals und eine Haube fasst die am Hinterkopf zu einem Dutt arrangierten Haare zusammen. Das betont schlicht angelegte Bild der jungen Frau war Teil eines "Wechselbildes", ein im höfischen Kontext des 17. Jahrhundert anzutreffendes Phänomen. Dabei wurden bemalte Folien auf das Abbild aufgelegt und die unterschiedlichen Motive auf den Folien veränderten die Identität der Dargestellten: Aus einer jungen Frau wurde wahlweise [ein junger Mann mit Schnurrbart, Halskrause und Hut, eine Nonne im Ordenskleid, eine Dame mit Löwenkopf, eine maskierte elegante Dame, ein Orientale oder ein Pirat](https://www.gardnermuseum.org/experience/collection/15800). So wandelte sich die Frau analog zu den Folien, von denen bis zu 23 unterschiedliche Stücke überliefert sind.
Der Typus der Frau auf der vorliegenden Variante von Wechselbildern entwickelte sich im Laufe der Zeit, wie Evelyn Ackerman in dem Aufsatz *Costume is the Key. Seventeenth Century Miniature Portraits with Overlays*[^1] zeigte. Für dieses Verwandlungsspiel eigneten sich aufgrund ihrer Zeitlosigkeit die schlicht gehaltenen Bildnisse besonders gut. Die Identität des weiblichen Bildnisses wird noch diskutiert, Ackerman vertritt die nachvollziehbare Ansicht, dass es sich bei der Dame, die der Lipperheideschen Miniatur ähnelt, um [Henrietta Maria, Königin von England, Schottland und Irland](item/45244) und Frau von Karl I., handelt. Unterstützt wird diese These zum einen durch ein vergleichbares Bildnis, das [Abbild von Henrietta Maria im Royal Collections Trust](https://www.rct.uk/collection/422348/set-of-mica-overlays-and-miniature-of-henrietta-maria-1609-1669) und zum anderen durch eine Reihe von königlichen Attributen auf den Wechselfolien, wie beispielsweise den Hermelinpelz. Vergleichbar ist das unter dem Titel [Miniature Portrait with Overlays](https://collections.lacma.org/node/224596) geführte und circa 1650 ausgeführte Miniaturbildnis. Für dieses Porträt zeigt Ackermann zehn vergleichbare Miniaturen aus verschiedenen Sammlungen auf.[^2] Auch Sandra L. Rosenbaum verweist in ihrem Aufsatz *Seventeenth Century Miniature Portraits with Costume Overlays* auf eine Miniatur, welche die gleichen Kleiderelemente zeigt.[^3] Variierend kommt der Typus einer hellbrünetten Haartracht oder ein grünes, anstelle eines roten Kleides ins Spiel. Denis Bruna wiederum zeigt in dem Ausstellungskatalog *Tenue correcte exigée: quand le vêtement fait scandale*[^4] ein Bildnis, welches dem Abbild aus der Sammlung Lipperheide hinsichtlich des Stils, der Posen, der Farbigkeit und der Accessoires am nächsten kommt.
Das ovale Miniaturbildnis einer *[Frau mit Spitzendekolleté und Perlenhalskette](item/464)* zeigt eine nach links ausgerichtete junge Frau im Brustformat. Das rote, bauschig fallende und tief dekolletierte Kleid wird von einem Spitzenkragen gesäumt. Eine Perlenkette liegt eng am Hals und eine Haube fasst die am Hinterkopf zu einem Dutt arrangierten Haare zusammen. Das betont schlicht angelegte Bild der jungen Frau war Teil eines sogenannten *Wechselbildes*, ein im höfischen Kontext des 17. Jahrhundert anzutreffendes Phänomen. Dabei wurden bemalte Folien auf das Abbild aufgelegt und die unterschiedlichen Motive auf den Folien veränderten die Identität der Dargestellten: Aus einer jungen Frau wurde wahlweise ein junger Mann mit Schnurrbart, Halskrause und Hut, eine Nonne im Ordenskleid, eine Dame mit Löwenkopf, eine maskierte elegante Dame, ein Orientale oder ein Pirat, wie das [Exemplar aus dem Garnermuseum](https://www.gardnermuseum.org/experience/collection/15800) zeigt. So wandelte sich die Frau analog zu den Folien, von denen bis zu 23 unterschiedliche Stücke überliefert sind.

Den ca. 25 unterschiedlichen überlieferten Frauenbildnissen mit Folien stehen etwa 17 bis 20 männliche Bildnisse mit entsprechenden Wechselfolien gegenüber. Das am häufigsten überlieferte Wechselbild eines Mannes war das Miniaturbildnis von [Karl I., König von England, Schottland und Irland (1600–1649)](item/9389). So besitzt der Royal Collection Trust ein [Porträt von Karl I. mit insgesamt 12 Wechselbildern](https://www.rct.uk/collection/422099/charles-i-1600-1649).
Der Typus der Frau auf dieser Variante von Wechselbildern entwickelte sich im Laufe der Zeit, wie Evelyn Ackermann in dem Aufsatz *Costume is the Key. Seventeenth Century Miniature Portraits with Overlays*[^Ackerman 2007] zeigte. Für dieses Verwandlungsspiel eigneten sich aufgrund ihrer Zeitlosigkeit die schlicht gehaltenen Bildnisse besonders gut. Den ca. 25 unterschiedlichen überlieferten Frauenbildnissen mit Folien stehen etwa 17 bis 20 männliche Bildnisse mit entsprechenden Wechselfolien gegenüber. Das am häufigsten überlieferte Wechselbild eines Mannes war das Miniaturbildnis von [Karl I., König von England, Schottland und Irland (1600–1649)](item/9389). So besitzt der Royal Collection Trust ein [Porträt von Karl I. mit insgesamt 12 Wechselbildern](https://www.rct.uk/collection/422099/charles-i-1600-1649). Während die Identifizierung von Karl I. als sicher gelten kann, wird die Identität des weiblichen Porträts noch diskutiert; Ackerman argumentiert, dass es sich bei der Dame, die der Lipperheide-Miniatur ähnelt, um [Henrietta Maria, Königin von England, Schottland und Irland](item/45244) und Ehefrau von Karl I. handelt. Diese Theorie wird einerseits durch ein vergleichbares Porträt, das [Bild von Henrietta Maria](https://www.rct.uk/collection/422348/set-of-mica-overlays-and-miniature-of-henrietta-maria-1609-1669) aus dem Royal Collections Trust, und andererseits durch eine Reihe königlicher Attribute auf den Wechselfolien, wie z. B. das Hermelinfell, gestützt. Für dieses Miniaturbildnis zeigt Ackermann zehn vergleichbare Miniaturen aus verschiedenen Sammlungen auf.[^Vgl. Ackerman 2007, Abb. 1–6 und 7–11. Die Darstellungen der Accessoires und modischen Elemente seien darüber hinaus, so Ackermann und auch Sandra L. Rosenbaum, von der Stichserie „Ornatus Muliebris Anglicanus“ (1638–1640) von Wenzel Hollar abgeleitet.] Sandra L. Rosenbaum verweist in ihrem Aufsatz *Seventeenth Century Miniature Portraits with Costume Overlays* auf eine Miniatur, welche die gleichen Kleiderelemente zeigt.[^Rosenbaum 2007, Abb. 3.] Variierend kommt der Typus einer hellbrünetten Haartracht oder ein grünes, anstelle eines roten Kleides ins Spiel. Denis Bruna wiederum zeigt in dem Ausstellungskatalog *Tenue correcte exigée: quand le vêtement fait scandale* ein Bildnis, welches dem Abbild aus der Sammlung Lipperheide hinsichtlich des Stils, der Posen, der Farbigkeit und der Accessoires am nächsten kommt.[^Wechselbildnis, unbekannter Künstler (Niederlande?, England?), um 1650, Inv. 2015.146.1-22, Musée des Arts décoratifs, Départment Mode et Textile (Paris). In: Tenue correcte exigée 2016, S. 84–85.]

Derartige Metamorphosen entlehnten ihre Kleiderelemente aus zeitgenössischen Grafiken, wie beispielsweise aus den Darstellungen von [Wenzel Hollar](item/9799). Hier stand etwa die Kopfbedeckung in dem Blatt [Mulier Coloniensis bonae qualitatis](https://hollar.library.utoronto.ca/islandora/object/hollar%3AHollar_k_1751) Pate für ein Wechselbil mit ähnlichem Aussehen. Nicht ungewöhnlich waren auch ganzfigurige Bildnisse.

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